Tribute To The Petards
Tribute To The Petards
Eine Harley Davidson röhrt aus den Speakern, fährt knatternd von links nach rechts und wird dann von einem schmutzigen Gitarrenriff abgelöst. Ein Riff der Desert Rocker Rich Hopkins & The Luminarios
Bin jetzt etwas am Zweifeln, was mich mehr anmacht, denn als ehemaliger Biker (na gut, war in einem anderen Leben), ist eine röhrende Harley immer ein Ereignis. Bleibt aber kaum Zeit zwischen den Desertgitarren und dem Bike zu wählen, denn die Crazy Lords knallen mir Gitarren metal-like ins Wohnzimmer. Treibend, tiefe Vocals und eine enorme Spielfreude. Power Rock pur.
Was für 'ne CD. Tribute CDs haben oft den Beigeschmack des faden Nachspielens bekannter Tracks von noch bekannteren Musikern.
Bekannt waren die Petards Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger. Sicher einer der herausragendsten deutschen Beatbands.
Von Schrecksbach aus (ein kleines nordhessisches Dorf) zogen sie los, um die Bretter der Welt zu erobern. Dabei brachten sie es auf über 1.000 Liveauftritte, ihre erste LP wurde sogar 100.000 mal verkauft. Sechs Studioplatten, über ein Dutzend Singles, Nummer 1 Hits in vielen Hörerhitparaden, Chart Platzierungen in England, Frankreich und Belgien, Auslandstourneen, ein LP-Release in Japan. Nicht zu vergessen, die 380 Fanclubs. Das waren halt noch Zeiten.
Auf den ersten Blick wirkt die Auswahl der Musiker, die den Tribute Sampler bestreiten, ziemlich illuster und wirr ausgesucht. Aber die Zusammenstellung hat einen Grund: Nämlich die Freie Musikinitiative Schrecksbach. Seit über acht Jahren bringt die FMS namhafte Bands im "Mylord", dem ehemaligen Petards-Club auf die Bühne. Diese Bands wurden angeschrieben, um jeweils einen Song der Petards in ihren jeweiligen Stil zu konvertieren.
Und genau das macht die CD zu einem sehr vielfältigen und niemals langweiligen Album. Punkrock neben Surfgitarren, Irish-Folk-Punk contra Mundart, Hippiesound, Power Pop...
Eigentlich ein Muss für mich, auf jede Band einzugehen, denn es gibt keinen Durchhänger, keinen schlechten Song, im Gegenteil: Meint man, den Fav ausgemacht zu haben, kommt mit dem nächsten Titel wieder ein Hammer. The Sinclairs etwa. Mehrstimmige Beatvocals, Orgel, verzerrte Gitarren, oder dann Roots Rocker Thodd Thibaud, mit der wunderschönen Ballade "Roses For Kathy". Pefekt um einem tristen Wintermorgen einen Hauch Frühling einzuhauchen. Balladesk schließen sich Travellin' Light (ehemals Avalaon mit "The Dream" an. Schottischer Folk, 68iger Folk, Flöten und Akkordeon sind ihr Metier.
Ganz anders dann The Spirit Of Mrs. Peel. Drei Ladies, deren Harmonies mich stark an die Flatman-Background Sängerinnen Kathrin und Sabine erinnern. Schöne Gitarrenhooks, perfekter Gesang.
Es folgt Barbarosa, mit dem stimmgewaltigen Gerold Stiebeling am Micro. Ein anfangs ruhiger Song, mit Gänsehaut-Backing-Vocals, der sich gekonnt steigert. Und wenn dann plötzlich mitten im Song kurz der Refrain von "Hey Jude" angestimmt wird, treibt es mir einen wohligen Schauer den Rücken rauf und runter.
No Pale Haze intonieren "Shoot Me Up To The Moon" und bleiben ziemlich nah am Sound der Sechziger. Grunge-Gitarren eröffnen "Free", dargeboten von Ashton. Treibende Rhythmen begleiten eine einsame, klagende Gitarre. Die drei ex Silent Sin Musiker haben durch die Mitarbeit am Sampler wieder Appetit aufs Musikmachen bekommen und ja Jungs, bleibt dabei.
Flötenklänge, Akkordeon, Irish-Pub Musik. Musik, die animiert das leere Guinness Glas zum Nachfüllen zu heben, präsentiert Lady Godiva, bevor es mit der Band Helter Skelter wieder rockig wird. Klangspielereien und fetzige Gitarren, abgefahrene Stilwechsel - über 7 Minuten Spannung pur.
Funkig, groovig, treibend, schwälmisch nun die Schwalmstadter Mundartformation Hokke Scheeb mit "Drouse Im Rähn'. Dezent im Hintergrund ertönt eine Trompete und ich erkenne einen Fetzen von "Papa Was A Rolling Stone".
Sabbra Cadabra (auch bekannt als Elliot), gegründet als reine Black Sabbath Coverband, erinnern mich mit "Baby" doch eher an einen harten Lee Clayton. Nach Sixties-Sound klingen The Heartbeats, ebenfalls eine Coverband, die sich aber mehr der Beatära verschrieben hat. Und sie bringen es gekonnt rüber: schöne mehrstimmige Vocals, die von den Byrds sein könnten.
Surfsound: Wie sollte eine Band namens Surfpatrouille auch anders klingen. Mir fällt gerade auf, wie viele Stile es doch in den Sechzigern schon gab.
Mastermind Tom "The Perc" Redecker mit seiner markanten Stimme und Chef von  The Electric Family sorgt für psychedelisches Feeling beim vorletzten Track "Long Way Back Home".
Der Abschluss in Form eines Drum Solo, kommt dann vom Petards Drummer Arno Dittrich himself. Arno, bekannt für seine legendären 20 minütigen Drum-Soli stieß 1967 zu der Band und hat die Petards 2002 in neuer Besetzung wiederbelebt. Zu vorliegendem Sampler meint er:
"Diese CD zu Ehren der Petards - und da spreche ich im Namen aller ehemaligen Bandmitglieder - erfüllt mich mit großem Stolz. Esprit, Inspiration, Technik und Qualität eines jeden Songs sind bemerkenswert. Ganz im Geiste des Sechziger-Feelings gilt: 'Tut was Ihr wollt!' Ich wünsche Euch viel Spaß mit dieser CD und schöne Erinnerungen beim Hören meines Drum-Solos - und ich hoffe, dass wir uns irgendwo und irgendwann mal wiedersehen."
Petards Kenner werden die Tribute CD sicher haben müssen. Auch weil es sich mit Ausnahme von "Petards Rhapsody" und "Love Is All Around" um bisher unveröffentlichtes Material handelt. Wer die Petards noch nicht kennt, wird den Sampler ob seiner Vielschichtigkeit erst recht lieben und sich dann sicher auf die Suche nach den Originalen machen
Tracklist:
1. Rich Hopkins & The Luminarios - Keep On (4:13)
2. Crazy Lords - One More Chance To Be Blue (3:57)
3. The Sinclairs - The Fountain (2:32)
4. Todd Thibaud - Roses For Kathy (3:09)
5. Travellin' Light - The Dream (3:28)
6. The Spirit Of Mrs. Peel - Pretty Liza (2:33)
7. Barbarosa - Roses (5:10)
8. No Pale Haze - Shoot Me Up To The Moon (3:00)
9. Aston - Free (4:35)
10. Lady Godiva - Love Is All Around (3:21)
11. Helter Skelter - Petards Rhapsody ("Pictures") (7:24)
12. Hokke Scheeb - Drouse Im Rähn (4:14)
13. Sabbra Cadabra - Baby (2:30)
14. The Heartbeats - Some Sunny Sunday Morning (2:54)
15. Surfpatrouille - Misty Island (2:23)
16. The Electric Family - Long Way Back Home (4:17)
17. Arno Dittrich - Drum Solo (4:16)

Links zu den Bands - siehe Linkblock
Spielzeit: 64:03, Medium: CD, Zun Records, 2003
Ulli Heiser, 29.02.2004